In der Lahn, auf der Lahn und an der Lahn entlang

 

Alle paar Jahre, wenn mal wieder ein langes Wochenende vor der Tür steht, der Sommer im Lande Einzug hält und die Wassertemperatur der Lahn deutlich über dem Gefrierpunkt liegt, erobern sich die Turmfalken ein Eckchen des Weilburger Zeltplatzes und verbringen ein paar entspannte und gleichzeitig abenteuerliche Tage direkt an der Lahn. Spätestens dann, wenn die meisten Jungpfadfinder im Stamm den besagten Zeltplatz noch nie gesehen haben, weil sie beim letzten Lager dort noch viel zu klein waren, um dabei zu sein, weiß man, dass es mal wieder Zeit ist für eines der legendären Weilburg-Lager.

 

Genau dieser Zeitpunkt ist wieder erreicht, als sich etwa 30 Turmfalken an diesem Fronleichnamswochenende am Rande des Weilburger Jugendzeltplatzes versammeln und sich – angetrieben durch den mit dunkeln Wolken verhangenen Himmel – sofort an den Aufbau machen. Gestört nur durch ein paar Schauer und die Tatsache, dass das Zeltmaterial erst nach und nach in Weilburg eintrifft, stehen irgendwann spät am Abend tatsächlich alle Kohten und Jurten. Na ja, fast alle. Aber auf jeden Fall genug, damit jeder in der ersten Nacht einen trockenen Schlafplatz hat. Den haben die Pfadis nämlich auch dringend nötig, denn draußen geht in der Nacht ein wahrer Wolkenschutt nieder, während alle gemütlich in ihren Schlafsäcken schlummern.
Am nächsten Morgen jedoch begrüßt die Lagerteilnehmer nicht nur ein leckeres Frühstück, sondern auch die Sonne und mit ihr trockenes und warmes Wetter. Das letzte Zelt ist schnell errichtet, schließlich haben alle mit angepackt, und so strömt bald alles hinunter zur Lahn. Während es sich die einen im Schatten der Bäume auf den Steinen bequem machen, treibt es die anderen direkt ins Wasser. Das kalte Wasser ruft zwar ein paar spitze Schreie hervor, hält die meisten jedoch nicht vom Baden ab. Einige Wagemutige trotzen sogar der reißenden Strömung, schwimmen auf die andere Lahnseite und erklimmen die Treppe zur Schleuse.

Nach diesem ruhigen Morgen und einer Hotdog-Stärkung am Mittag steht am Nachmittag die Stadtrallye auf dem Programm: Nach und nach machen sich die Sippen auf den Weg, überqueren mit dem Rollschiff die Lahn und schwirren durch die Gassen der Altstadt, um die Antworten für die Fragen zu finden. Die schwierigste Aufgabe lässt sich nur lösen, indem man Passanten um Rat fragt: Wo kann man am Feiertag Postkarten kaufen? Es verwundert daher nicht, dass nur drei der fünf Gruppen das Lager später mit einer Postkarte im Gepäck erreichen. Die Karten bleiben aber nicht lange im Stammesbesitz, sondern werden, so schnell es, geht an Freunde des Stammes verschickt. Nach und nach trudeln alle Sippen wieder ein – scheinbar haben alle den richtigen Weg gefunden.
Um den richtigen Weg geht es auch bei der Andacht nach dem Abendessen: An jedem Tag des Lagers dreht sich die Andacht um einen Aspekt des Verses „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Nach der Andacht beginnt ein ausgiebiger Singeabend, an dem die unterschiedlichsten Pfadfinderlieder mal laut, mal eher verhalten, mitgesungen und -gegrölt werden.

Der nächste Tag startet mit einem Abenteuer: Alle Sippen werden – ausgerüstet nur mit Kompass und einer Gradzahl – an verschiedenen Punkten rund um Weilburg ausgesetzt. Querfeldein und immer der Gradzahl nach heißt es jetzt, den Weg zurück zum Lagerplatz zu finden. Das stellt sich als schwieriger heraus als gedacht, führt doch der Weg die meisten Gruppen durch dichtes Gestrüpp, Brennnesselfelder, wilden Wald, tiefe Schluchten und über so manches andere Hindernis. Und einige hindert irgendwann die Lahn daran, den direkten Weg zurück zu nehmen. Viel später als geplant trudeln die Sippen auf dem Lagerplatz ein: Sichtlich erschöpft, aber meist gut gelaunt und mit vielen Abenteuern und so mancher Schramme im Gepäck. Kein Wunder, dass alle hungrig über den leckeren Milchreis herfallen und dann den freien Nachmittag genießen.

Zum Bunten Abend versammeln sich alle wieder in der Gemeinschaftsjurte. Nach der Andacht beginnt das Programm, zu dem jede Sippe etwas beisteuert und an dem auch die Siegersippe der Stadtrallye gekürt wird. Als es draußen langsam dämmert, wird der Tschaj ausgeschenkt und die Turmfalken brechen auf zur Versprechensfeier. Schweigend legen sie den Weg zur Rollschiffanlegestelle zurück und versammeln sich schließlich unter einem großen Walnussbaum im Kreis. Im Fackelschein legt so mancher sein Jungpfadfinder- oder Pfadfinderversprechen ab und trägt danach stolz das neue Halstuch zurück zu den Zelten.

Nachdem die Beine beim Aussetzhajk schon genug strapaziert wurden, sind am Samstag die Arme dran: Nach einem Fußmarsch zum Kanuverleih werden die Kanus bestiegen und es geht los auf die Tagestour nach Villmar. Zunächst wird aber – mal mehr, mal weniger direkt – der Weilburger Schiffstunnel mit seinen beiden Schleusen angesteuert. Gleich dahinter liegt die Anlegestelle des Lagerplatzes und es wird Proviant an Bord genommen, bevor die 22 km lange Etappe endgültig in Angriff genommen wird. Mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und teilweise im Rhythmus von Liedern oder Motivationsrufen geht es stromabwärts vorbei an Odersbach und Kirschhofen. An einem Campingplatz wird die verdiente Mittagspause eingelegt und alle stärken sich mit Monsterkeksen, belegten Broten, Obst und Rohkost für den zweiten Abschnitt der Tour. Der ist ein ganzes Stück länger als der erste und wird durch Gegenwind und durch die schmerzenden Oberarme zusätzlich erschwert. Dennoch erreichen alle Boote das Ziel in Villmar und mit der Bahn geht es zurück nach Weilburg.

Die meisten sind nach dem langen und anstrengenden Tag ziemlich geschafft und bleiben nach dem Abendessen im Lager, doch einige wollen es sich an diesem Tag nicht nehmen lassen, das erste EM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft beim Public Viewing auf dem Sportsplatz in Odersbach zu verfolgen. In der letzten Reihe auf einer Bank stehend und mit einer Säule und nervenden Fähnchen im Blickfeld halten die Turmfalken die 90 Minuten durch und werden für ihr Durchhalten mit dem Sieg gegen Portugal belohnt.

Nach einer aufgrund bis tief in die Nacht feiernder Nachbarn nicht sonderlich erholsamen Nacht neigt sich das Lager viel zu schnell dem Ende entgegen. Gemeinsam sind alle Zelte schnell abgebaut und nach der großen Abschiedsrunde gehen alle etwas wehmütig auseinander: Fünf Tage Stammeslager erscheinen doch immer etwas kurz und die meisten hätten die gute Gemeinschaft, das meist sonnige Wetter und die tolle Umgebung des Lagerplatzes gerne noch länger genossen. Die letzte, die den Lagerplatz verlässt, ist die Sonne. Kaum sind auch die Mitarbeiter auf dem Weg nach Hause, macht sie einem heftigen Regenschauer Platz. Egal. Hauptsache, sie kehrt mit den Turmfalken zum nächsten Weilburglager zurück!

Tina und Rike 

Kategorien: Lager

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